Hartmut Richter
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Marie P. König

https://de.wikipedia.org/wiki/Marie_E._P._Koenig

Marie E. P. König (geb. als Marie Emilie Paula Schwager; * 10. September 1899 in Forst; † 5. Oktober 1988 in Güdingen) war eine deutsche autodidaktische Prähistorikerin, Höhlenforscherin und Münzforscherin. Sie widmete sich vor allem der Symbolik paläolithischer Höhlenmalereien und -ritzungen sowie dem Weltbild vorgeschichtlicher Menschen.

Marie König widersprach vehement der von ihr „evolutionistisch“ genannten damaligen Lehrmeinung, dass urgeschichtliche Menschen nur zu primitivem, magischem Denken fähig gewesen seien und alle eiszeitlichen Kunstwerke und Symbole lediglich im Rahmen von Fruchtbarkeits-Magie und Jagdmagie zu interpretieren seien. Sie postulierte stattdessen, dass viele Darstellungen ein symbolisches Weltbild repräsentieren, dass primär der Orientierung in Raum und Zeit diente. Zur Orientierung in der Zeit sei ein Mondkalender verwendet worden, während die Sonnenbahn die Orientierung im Raum ermöglichte. Auch die altsteinzeitlichen Frauenstatuetten und von ihr als Vulva interpretierte Zeichen deutete Marie König als Mondsymbolik. Diese symbolischen Darstellungen des Mondzyklus interpretierte sie der „Erneuerung“ des Mondes nach den drei dunklen Neumondnächten auch als künstlerischen Ausdruck eines ausgeprägten Wiedergeburtsglaubens.

Königs Thesen basieren auf ihren langjährigen Untersuchungen von Ritzbildern in den etwa 2000 Quarzit-Kulthöhlen der Île-de-France und den bemalten Kieseln aus der mesolithischen Höhle von Mas d'Azil sowie auf spätkeltischen Münzprägungen. Außerdem studierte sie paläolithische und neolithische Artefakte und Kunstwerke, wie z.B. die Höhlenmalereien von Lascaux und Altamira, Steinritzbilder aus Schweden und Valcamonica, die Megalithanlagen von Newgrange und Malta (Hypogäum von Ħal-Saflieni) sowie die neolithischen Siedlungen in Anatolien (Çatalhöyük) und die bronzezeitlichen Paläste auf Kreta (Knossos und Phaistos).

Wichtige Anregungen für ihre Thesen erhielt Marie E. P. König u. a. auch aus Karl Jaspers’ Werk Philosophie der Weltanschauungen (1919) und der Tiefenpsychologie Carl Gustav Jungs. Mit Jaspers glaubte auch Marie König, dass sich der vorgeschichtliche Mensch in der Natur von einem kreisförmigen Horizont umgeben sah, über dem sich ein halbkugelförmiger Himmel spanne, dessen Gestirne zyklisch auf der einen Seite auftauchen und auf der anderen Seite verschwinden, was wiederum die Existenz einer unsichtbaren halbkugelförmigen „Unterwelt“ nahelege. Dieses unmittelbar erfahrene Hohlkugel-Weltbild sei in zweierlei Hinsicht gedanklich zu visualisieren: Entweder in objektiver Weise, also quasi von außen als Kugel betrachtet, was nach König schon vom Homo erectus (bzw. Homo heidelbergensis) durch Sphäroide dargestellt wurde, oder in subjektiver Weise, also aus der Sicht des Menschen, der sich im Mittelpunkt eines hohlkugelartigen Weltalls wähnt, das laut König vom vorgeschichtlichen Menschen mit der Schädel-Kalotte und der Höhle versinnbildlicht wurde, was die zahlreichen steinzeitlichen Schädelkulte und Kulthöhlen erkläre.


29.10.1973, DER SPIEGEL 44/1973ARCHÄOLOGIE - ERSTE ZEICHEN

Bereits der Urmensch war ein Wissenschaftler.
Wie er schreiben und zählen lernte, glaubt die Prähistorikerin Marie König erklären zu können.

Unbeachtet lagen sie 300.000 Jahre in Lehmgruben und Höhlen umher -- sonderbare Gebilde, nur fünf bis zehn Zentimeter groß, mühselig aus Stein geformt. Waffen oder Werkzeuge -- etwa nach Art des Faustkeils -- konnten diese altsteinzeitlichen "Sphäroide" nach Meinung der Prähistoriker nicht sein. Aber was waren diese Steinkugeln dann?

Für Marie König, eine angesehene deutsche Amateur-Prähistorikerin, sind sie Beweisstücke dafür, daß schon der Mensch der Steinzeit ein "Wissenschaftler" war und keineswegs bloß, wie bis in die Gegenwart hinein angenommen wird, ein "Magier". Bereits 1954 hatte Frau König in einem inzwischen viel diskutierten Buch ("Das Weltbild des eiszeitlichen Menschen") dargelegt, daß der Frühmensch -- lange vor Sumerern" Assyrern und Babyloniern -- ein Kalendersystem besaß. In einem neuen Buch ("Am Anfang der Kultur") unternimmt sie nun den Versuch, auch die Existenz einer paläolithischen "Zeichensprache" nachzuweisen -- anhand von Felszeichnungen und auch jener bislang rätselhaften "Sphäroide"*.

Marie Königs Deutung der Steinkugeln: Sie sind die ersten vom Menschen gemachten Zeichen, die ersten steinernen Begriffe, die "früheste Objektivierung der weltinterpretativen Grunderfahrung"

Laut Frau König steht nicht der Teil, sondern das Ganze am Anfang. Symbol des Ganzen aber ist das "Runde" des Kreises, der "Begriff" der Kugel. Ihn lernte der streunende Jäger der älteren Altsteinzeit (etwa 600.000 bis 180.000 vor Christus) am Rundlauf von Sonne und Mond kennen und zeichnete ihn in den "Sphäroiden" nach.

Die nächsten Stufen der Abstraktion waren die "Begriffszeichen" der geraden Linie und des Kreuzes. Denn damit wird die Welt zunächst halbiert, dann in vier Himmelsrichtungen und vier Quadranten aufgeteilt.

Die Strichreihungen und Kreuze auf Langknochen, Mammutzähnen und Felsen im Mittelpaläolithikum (etwa 180.000 bis 30.000 vor Christus) deutet die Prähistorikerin daher als erste graphische Versuche der Weltorientierung und des Schreibens.

Aus dem Kreuz-Zeichen, der -- so König -- "wichtigsten Entdeckung der geistigen Existenz der Menschheit", wurde das Ideogramm des "Netzes" entwickelt. Das heißt: Das Linienkreuz wurde durch waagerechte und senkrechte Linien gitterförmig gegliedert.

Das viereckige Netz-Symbol ist über die ganze Welt verstreut -- von Australien bis zum vorkolumbianischen Amerika. Marie König erklärt das Netzideogramm und das etwa gleichzeitig entstehende Ideogramm des Quadrats, oft mit Schrägkreuz im Geviert, als "Chiffren der Weltordnung".

Bei der Orientierung in der Zeit und der Entdeckung der Zahlbegriffe half dem Frühmenschen die nächtliche Beobachtung der Mondphasen. Durch den zunehmenden, vollen und abnehmenden Mond lernte der Urmensch bis drei zu zählen. Allererste, vermutlich schon altpaläolithische Ideogramme der "Drei" sind drei parallele Striche, drei Punkte oder auch drei gestreckte Finger.

Da die vierte Phase der Himmelsuhr des Mondes "dunkel" ist, meinte -- so König -- der Jungpaläolithiker, daß der Mond dann "stirbt", Ideogramm des Todes war die tödliche Waffe des "Pfeiles". Die bisher unerklärt gebliebene Symbolreihe "Drei Parallelstriche + Pfeil" wird von Frau König daher als Zeichen der vier Mondphasen gedeutet.

Frau König sieht in den von ihr entschlüsselten Ideogrammen des Paläolithikums den Beweis dafür, daß der Mensch seit den Anfängen seiner Geschichte "wissenschaftlich denken konnte". Im Gegensatz zur Mythen-Forschung der Romantik, die in den Göttersagen zumal der antiken Griechen die erste Schöpfung des menschlichen Geistes sah, neigt Frau König zu der provozierenden These, die Götter-Mythen seien ein Irrweg gewesen. Gegenüber den "unglaubwürdigen, kuriosen Fabelgeschichten" der Göttersagen seien die Begriffe des Menschen der Frühzeit "entsprechend den Erfahrungsmöglichkeiten, einfach "richtig" gewesen. Die Vorstellung, der Frühmensch sei ein "unwissenschaftlich denkender Jäger" gewesen, hat sich als bloße Spekulation erwiesen.

Am Anfang der Menschengeschichte stand Rationalität, nicht Magie und nicht Mythos -- eine auch für die moderne Anthropologie herausfordernde These.

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