Hartmut Richter
Meine Themen

Typ Berbero-Lateinisch

IC Nachrichten. Nr. 95, 2013
Ulbrich, Hans-Joachim

Auf Fuerteventura und Lanzarote findet man neben der sogenannten libysch-berberischen Schrift (LB), also der Schrift der protoberberischen Besiedler, auch eine auffallend schlank * in die Felsen eingravierte lateinische Schrift, die von den ersten kanarischen Kommentatoren vage als "pompejanische Kursivschrift" bezeichnet wurde. Die Untersuchungen des leider viel zu früh verstorbenen IC-Mitglieds Prof. Werner Pichler und seines Kollegen Hans-Joachim Ulbrich bestätigten die lateinische Einstufung, so dass Pichlers Bezeichnung "Latino-Kanarisch" vom Institutum Canarium (Wien) als sinnvoll, logisch und hilfreich empfunden wurde. Von Prof. Tejera Gaspar (Univ. La Laguna) wurde parallel dazu die Bezeichnung "líbico-canario" ins Leben gerufen, die von kanarischen Fachleuten seitdem benützt wird und insofern missverständlich ist, als weder die zweifellos lateinische Grundform der Schrift im Namen zum Ausdruck kommt, noch bewiesen ist, dass die Urheber ausschließlich berberstämmig waren. Auch Punier waeren denkbar.

 


Nur in seltenen Sonderformen des Latino-Kanarischen kann ein kleiner Anteil der libysch-berberischen Schrift enthalten sein: Auf Lanzarote und Fuerteventura existiert deshalb noch eine dritte prähispanische Schrift, die vom Verfasser dieses Textes "Berbero-Lateinisch" genannt wird, weil sie pro Zeile eine Mischung aus lateinischer Kursivschrift und mindestens einem antiken libysch-berberischen Zeichen darstellt. Weitere erratische Schriftfragmente mit Affinität zu altmediterranen Schriften harren auf den Ostinseln noch ihrer Entschlüsselung. Interessanterweise und sehr hypothetisch sieht Maria Antonia Perera Betancort (La Provincia, 19.10.2012), die amtliche Inselarchaeologin von Lanzarote, bezueglich der altkanarischen Schriften sogar Verbindungen zur mesopotamischen Kultur.

* Die Schlankheit des Latino-Kanarischen geht wahrscheinlich auf Berber zurück, die Kontakte zur römischen und neopunischen Kultur hatten, sowie auf Punier selbst, die als Flechtensammler auf die Ostinseln gebracht wurden.

 
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