Hartmut Richter
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André Leroi-Gourhan

https://de.wikipedia.org/wiki/André_Leroi-Gourhan

Leroi-Gourhan (* 25. August 1911 in Paris; † 19. Februar 1986 ebenda) war ein französischer Archäologe, Paläontologe, Paläoanthropologe und Anthropologe. Wichtige Beiträge leistete er zu den Kunststilen des Jungpaläolithikums, die er in vier Stilepochen einteilte (→ Hauptartikel Kunststile der Höhlenmalerei). Leroi-Gourhan befasste sich sowohl mit allgemeinen Fragen von Technik und der Entwicklung materieller Kultur in der Anthropologie, mit Ausgrabungstechnik und insbesondere Prähistorischer Kunst und Religion.

 

Beginn der strukturalistischen Forschung

http://www.praehistorische-archaeologie.de/thema/hoehlenmalerei/strukturalismus/
In den 1950er und 1960er Jahren verfolgten Archäologen einen strukturalistischen Ansatz, inspiriert von Ferdinand de Saussure’s Konzept von einem abstrakten Regelsystem „langue“ und dessen praktischer Umsetzung „parole“. André Leroi-Gourhan bemühte sich neben anderen um eine strukturalistische Interpretation von Höhlenmalereien. Ethnographische Analogien lehnten sie ab. Die Darstellungen seien aus sich heraus verständlich, wenn man die ihnen zugrunde liegenden Strukturen entdeckt. Grundlegende Fragen standen im Vordergrund: was gibt es für Darstellungen, wie häufig sind sie und wo sind sie in den Höhlen zu finden?

Die Suche nach Gegensatzpaaren und sexuellen Symbolen stand ebenfalls im Vordergrund. In den geometrischen Zeichen und den Tierdarstellungen glaubten sie und Leroi-Gourhan männliche und weibliche Symbole zu erkennen.

 
Zeichen Höhlenmalerei
"Zeichen" wie diese wurden auch mit Geschlechtern assoziiert.


Leroi-Gourhan untersuchte die dargestellten Tiere nach ihrer Häufigkeit, den Themen und deren topografischen Zusammenhang. Schließlich kam er zu dem Ergebnis, dass die Bilderhöhlen in einer geplanten Komposition genutzt worden seien und man spezifische Darstellungen an bestimmten Teilen in der Höhle bewusst angebracht habe. Demnach war es kein Zufall, dass erst in den hintersten und versteckt gelegenen Nischen der Höhlen Mischwesen gezeichnet wurden. Ferner unterschied er vier Stilformen der Höhlenkunst, um zeitlich synchrone Strukturen erkennen zu können.Wir werden an dieser Stelle allerdings nicht weiter darauf eingehen, weil stilistische Untersuchungen für chronologische Frage nur bedingt behilflich sind und man dem Thema ein eigenes Kapitel widmen sollte.

Auch André Leroi-Gourhan sah in den Tierdarstellungen sexuelle Symbole. Allerdings deutete er die Sexualsymbolik exakt andersherum als Laming-Emperaire. Seiner Ansicht nach waren Pferde weiblich und Boviden männlich konnotierte Darstellungen. Weil beide mit denselben Argumenten zu einem gegensätzlichen Ergebnis kamen, verwarfen sie diese Interpretation später. Typisch für Leroi-Gourhan ist, dass er von einem binären Denken ausging und nach Gegensatzpaaren suchte. Wie Lévi-Strauss vermutete er, dass das Denken von kulturspezifischen Dichotonomien (= Gegensatzpaaren) geprägt sei. Im Jungpaläolithikum habe man sich mit dem Gegensatzpaar männlich-weiblich beschäftigt. Mit den Kompositionen in den Höhlen habe man Mythen zu diesem Paar erzählen wollen.

Fazit

Durch den Verzicht auf ethnografische Beobachtungen und Analogien konnte strukturalistische Forschung keine plastische Handlungstheorie entwickelt werden. Die Interpretation und Auswahl der Daten war – Lewis-Williams zufolge – zum Teil subjektiv und widersprüchlich. Dennoch gab es eine theoretische Grundlage und man bemühte sich, eine nachvollziehbare Chronologie für die Höhlenmalereien zu entwickeln. Es konnte bewiesen werden, dass Höhlenmalereien Bezug aufeinander nehmen und keineswegs "einfach so" angefertigt wurden. Es gibt tatsächlich wiederkehrende Muster. So gesehen verdanken wir der strukturalistische Herangehensweise grundlegende Forschungsarbeiten, ohne die wir heute nicht arbeiten könnten.

Der Bruch mit den vorausgegangenen Forschungsansätzen war notwendig. Die strukturalistische Forschung wollte sich so weit wie nur möglich von den subjektiven und offenkundig politisch motivierten Auswertungen von Höhlenmalereien distanzieren. Rezente Jäger- und Sammlergruppen sollten nicht mehr zum Vergleich herangezogen und damit als "steinzeitlich" betrachtet werden. Die Steinzeit ist schließlich vorbei und alle Informationen über das Leben steinzeitlicher Menschen sollten aus ihren Hinterlassenschaften herausgelesen werden und aus denjenigen irgendwelcher noch lebender Menschen.
 

Paläolithische Kunststile nach Leroi-Gourhan

https://de.wikipedia.org/wiki/Höhlenmalerei#Kunststile
Einen ethnologischen bzw. kunsthistorischen Ansatz verfolgte André Leroi-Gourhan (1911–1986) mit der Unterteilung in paläolithische Kunststile I-IV (vom Aurignacien bis zum Magdalénien). Wechsel im Malstil fallen nicht mit dem Wechsel der archäologischen Kulturen zusammen. Geographisch bezog sich Leroi-Gourhan auf folgende Regionen, die zugleich das Hauptverbreitungsgebiet darstellen: Asturien, Kantabrien, das französische und spanische Baskenland, die Pyrenäen, das rechte Rhoneufer und die Beckenlandschaften der Loire und der Garonne. Eine besondere Stellung nimmt die franko-kantabrische Region ein, die mit ihren noch heute erhaltenen Bilderhöhlen den größten Teil der prähistorischen Kunst stellt. Die Kunst aus Italien und Russland, besonders hier im Ural, wurden von ihm als isolierte Kunstformen angesehen, stellten jedoch um 20.000 v. Chr. eine Einheit mit Mittel- und Westeuropa dar. Neben der Höhlenmalerei liegt der Stilunterteilung auch die erhaltene jungpaläolithische Kleinkunst zugrunde.

Stil I
Diese Phase ist durch wenige Ritzzeichnungen aus dem Périgord charakterisiert. Dargestellt wurden Tiere wie das Pferd oder das Mammut, die jedoch meist nur durch Rückenlinien oder durch Kopfdarstellungen angedeutet werden. Umrahmt werden diese meist von Strichen oder Punkten. Teilweise lassen sich auch vulvenartige Figuren erkennen. Eine genaue Datierung kann nicht getroffen werden, jedoch gehören die wenigen Exemplare wie die eingravierten Vulven aus La Ferrassie oder die Darstellungen eines „Pflanzenfressers“ aus Belcayre (beide Fundstellen in der Dordogne) in die Kulturstufe des Châtelperronien und des Aurignacien.

Stil II
Der zweite Stil beginnt während des Gravettien bzw. Périgordien und erstreckt sich bis zum Solutréen, wobei sich die beiden Phasen II und III kaum voneinander unterscheiden. Leroi-Gourhan nimmt an, dass in dieser Zeit die ersten Heiligtümer mit Malereien und Gravierungen entstanden sind. Meist sind die Darstellungen noch auf Platten, in den Eingangszonen oder an den Abriwänden. Laut Leroi-Gourhan werden diese noch selten in den „Dunkelzonen“ der Höhlen wie in Gargas angebracht, was dann in der folgenden Phase immer häufiger vorkommen wird. Abhängig von der Periode I entwickelt sich nun ein festes Darstellungsschema: die geschweifte Hals-Rückenlinie. Meist sind die abgebildeten Tiere wie Pferd, Bison und Mammut mit einem übermäßig gekrümmten Vorderteil versehen. Ein bekanntes Beispiel wäre die Höhle Pair-non-Pair, die zahlreiche Gravierungen von Pferden und Mammuts enthält. Auch bei den weiblichen Statuetten lässt sich in dem Gebiet von Spanien bis Russland eine einheitliche Ausführung erkennen. Die Figuren sind alle stilisiert: das Gesicht und die Arme werden nur angedeutet; die Füße fehlen zum Teil ganz. Besonders detailreich sind Hüften, Bauch, Brüste und Rumpf, die bei allen erhaltenen Figuren ob als Plastik wie bei der "Venus von Dolní Věstonice" oder als Relief wie in die Venus von Laussel betont werden. Zudem werden auch die ersten Handabdrücke gefertigt, wie z.B. in Gargas oder in Labatut.

Stil III
Diese Phase stellt laut dem Wissenschaftler den Höhepunkt der technischen "Kunstfertigkeiten" dar. Die Linien sind feiner ausgeführt worden und man versuchte die Bewegtheit der Tiere darzustellen. Besonders betont wurden die sehr kurzen Beine und der Körper, die im Verhältnis zum Kopf zu groß erscheinen. Auch ist die markante Rückenlinie, die im Stil II konsequent bei jeder Tierart eingehalten wurde, nun abgeschwächt und individuell umgesetzt worden. Die Geweihe und Hörner sind zu ca. 75 % in der „halbverdrehten“ Perspektive wiedergegeben. Zu den häufigsten Abbildungen zählen der Bison und das Pferd, die meist in Kombination auftreten. Begleitet werden sie von weiteren „Nebentieren“: in Lascaux von einem Hirsch und in Pech Merle von einem Mammut. Die Zeichen, die immer bei den Tiergruppen erscheinen, sind meist tektiform wie in La Mouthe oder in Lascaux (hier sind auch die schachbrettförmigen Zeichen zu nennen, die mit verschiedenen Farben ausgemalt wurden). In dieser Phase stehen auch die Menschenabbildungen immer in einem engen Bezug zu den abgebildeten Tieren und anderen Zeichen. Die Schachtszene in Lascaux, mit dem verwundeten Bison und der menschlichen Gestalt ist ein Beispiel für diese Tradition. Weitergeführt werden auch die Handnegative und –positive, wie in Pech Merle, El Castillo und Rocamadour. Datiert wird die Stilphase aufgrund der beiden Fundstellen Roc-de Sers und Bourdeilles in das Solutréen und das frühe Magdalénien. Leroi-Gourhan unterteilt diese Phase in vier regionale Gruppen, die sich in einigen Elementen der Darstellungsweisen unterscheiden: im Périgord, im Lot, in Kantabrien und im Ardèche-Tal.

Stil IV
Der vierte Stil stellt den größten Teil der erhaltenen Kunstwerke dar (ca. 78 %), wobei die mobilen Gegenstände diese Phase besonders prägen und eine Unterteilung in eine frühe und späte Phase erlauben. Leroi-Gourhan datiert den frühen Stil in das mittlere Magdalénien III und IV, die spätere Phase in das Magdalénien V und VI, doch erwähnt er in seiner Monographie, dass es ebenfalls Abweichungen dieser Unterteilung gibt wie in der Drei-Brüder-Höhle oder in Les Combarelles. Die Umrisslinien zeigen das abgebildete Tier nun in einer sehr realistischen Weise, sodass die Haltung und Bewegung des Tieres deutlich hervorgehoben wird. Hörner und Geweihe werden in ihrem natürlichen Aussehen wiedergegeben. Pferdedarstellungen besitzen eine sehr geschwungene Bauchpartie und zwei Linien auf den Schultern. Bisons, meist mit einem behaarten Kopf, weisen ein „Dreieck“ an den Lenden auf. Diese Details lassen sich auf einem Gebiet von Arcy-sur-Cure bis nach Kantabrien antreffen. Begleitet werden diese Tiere von verschiedenen Zeichen, die Leroi-Gourhan den zwei Unterphasen zuweist, aber auch betont, dass es regionale Unterschiede gibt. Zunächst entwickeln sich aus den rechteckigen Zeichen (meist mit weiblichen Symbolen) „echte“ tektiforme Zeichen. Zur selben Zeit treten die Wundzeichen auf wie in Niaux, doch entwickeln sich aus diesen ovale Symbole zum Beispiel in der Drei-Brüder-Höhle.

 

 

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